Pressebericht vom 10.11.2007:
Kraftquell sein in schwerer Zeit
Künftiger Verein soll Angehörigen von Demenzkranken unter die Arme greifen
Von Sonja Lippert
Annaberg. „Zuerst fand ich überall in der Wohnung Zettel, dann konnte sie weder Alltägliches erledigen noch Familienmitglieder einordnen, und am Ende lag sie fest im Bett, vermochte fast gar nichts mehr.“ Holger Beyer aus Marienberg erinnert sich nur allzu deutlich an die Pflege seiner demenzkranken Mutter daheim. Wie oft waren er als Berufstätiger und seine Familie psychisch und körperlich am Rande ihrer Kraft, hätten Beistand oder ganz praktische Hilfe gebraucht.
Weil es im Erzgebirge vielen Menschen so geht wie Holger Beyer, soll auf seine Idee hin am 26. November, 18.30 Uhr im Gründer- und Diensleistungszentrum an der Adam-Ries-Straße der Kreisstadt der Verein zur Betreuung von Angehöriger Demenzkranker (VBAD) aus der Taufe gehoben werden. Ziel ist es, Familienmitgliedern eine mentale Stütze zu sein und sie zu befähigen, diese schwierige Aufgabe kompetent und mit Rücksicht auf die Würde der Kranken zu bewältigen. Dabei will der Verein nicht den Pflegediensten die Arbeit wegnehmen, sondern diese ergänzen.
Ralf Schädlich, Chefarzt der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie im Erzgebirgsklinikum Annaberg, spricht davon, dass in der Bundesrepublik rund eine Million Menschen an mittelschwerer oder schwerer Demenz leiden. Da die Deutschen immer älter werden, würde sich in 30 Jahren diese Zahl nahezu verdoppeln. „Es gibt nicht nur Leistungsorientierung und Dynamik in der Jugend, sondern auch das Nachlassen der Kräfte in der zweiten Lebenshälfte“, so der Mediziner. Man dürfe das nicht mehr verdrängen, sondern die Gesellschaft müsse sich dem psychisch Kranken, Schwachen gegenüber verständnisvoller, verantwortlicher zeigen. Ausgehend von einem solchen Verein könne ein Netz der Humanität entstehen, das den Großkreis Erzgebirge durchdringt.
Kreistagsmitglied Hartmut Decker (CDU), der die Schirmherrschaft des künftigen Vereins übernehmen will, skizzierte die zwei Säulen der Arbeit: Ehrenamtliche werden in einem Lehrgang geschult, um dann ihrerseits in Kursen ihre Kenntnisse an Angehörige weiterzugeben. Sie sollen bis in die Familien hinein psychischen Beistand leisten, Wissenswertes über das Krankheitsbild vermitteln sowie über rechtliche Fragen und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten der Pflegekassen informieren. „Jeden von uns kann es treffen“ sagte Decker, der deshalb auch begrüßte, das beim Kinder- und Jugendverein „Neuer Bahnhof“ in Ehrenfriedersdorf – dort erhält der Verein seinen Sitz – gegenwärtig Mitarbeiter mit Kindern ein Theaterstück zum Thema Demenz einüben. Das soll in Kindergärten und Schulen gezeigt werden, um so früh wie möglich sensibel für das Problem zu machen. „Gerade Kinder spüren sehr genau, wenn mit Oma der Opa etwas anders ist als sonst“, so Decker.
Service
Wer Fragen zum Verein hat, der kann unter Telefon 037341-54526 anrufen.
Erschienen in:
Freie Presse – Annaberger Zeitung, Samstag, 10. November 2007
Web: http://www.freiepresse.de